Während dem Podium Karl*a der*die Grosse wurde ich (Melanie) vom Publikum gefragt, was ich mir wünsche mit Blick auf die Verschränkung von Sexismus und Fettfeindlichkeit. Eine sehr wichtige Frage, gerade auch in Bezug auf den bevorstehenden feministischen Streiktag.
Kurz gesagt: Das Thema Fettfeindlichkeit und Gewichtsdiskriminierung muss bei jedem feministischen Anliegen mitgedacht werden.
Bildung, Karriere, Lohn: Dicke Kinder werden bei gleicher Leistung von Lehrpersonen weniger gut beurteilt als dünne Kinder. Das bedeutet, sie haben von Anfang an geringere Bildungschancen. Hänseleien und Mobbing aufgrund des Körpers sind unter Kindern und Jugendlichen weit verbreitet und haben Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit. Einmal im Berufsleben angekommen, werden dicke Frauen seltener befördert und bekommen weniger Lohn als straight size Frauen. Zudem benötigen dicke Menschen mehr Zeit und Geld, um passende Kleidung für ein Bewerbungsgespräch zu finden.
Gender-Medizin: Die moderne Medizin ist nicht nur auf Männer zugeschnitten, sondern spezifisch auf straight size Männer. Dicke Menschen sind in medizinischen Studien oft nicht berücksichtigt. Das heisst, wir wissen oft nicht, ob und wie Medikamente bei dicken Menschen optimal wirken. Beispielsweise wirkt die ‚Pille danach‘ bereits ab einem relativ niedrigen Gewichtslimit nicht mehr zuverlässig. Dadurch können bei hochgewichtigen Menschen mehr ungewollte Schwangerschaften entstehen, weshalb Vorstösse und Angriffe gegen das Abtreibungsrecht dicke Menschen besonders stark betreffen. Auch bei Themen wie sexualisierter Gewalt werden dicke Frauen und Menschen unsichtbar gemacht und dickenfeindliche Mythen selbst in feministischen Kreisen weiterverbreitet.
Dies sind nur einige Beispiele, die sich unendlich erweitern und durch weitere Verschränkungen intersektional ergänzen liessen, zum Beispiel mit Blick auf dicke Schwarze Frauen oder dicke trans Männer.
Das Thema Fettfeindlichkeit wurde in der Schweiz, auch in feministischen Kreisen, lange wenig beachtet. Es ist an der Zeit, dass sich feministische Organisationen gerade auch vor Veranstaltungen oder Veröffentlichungen feministischer Positionspapiere folgende Fragen stellen: Sind die Anliegen dicker Menschen mitgedacht? Verstehen wir, wie dieses Thema dicke Menschen betrifft und was ihre spezifischen Anliegen sind? Können wir unser Positionspapier ergänzen? Wollen wir Body Respect Schweiz um einen Input bitten?
Als kleiner und relativ junger Verein mit wenigen Ressourcen sind wir gefühlt permanent zwei Schritte hinterher – was frustrierend und erschöpfend ist. Aus diesem Grund sind wir darauf angewiesen, dass wir proaktiv mitgedacht und angefragt werden.
Danke, dass du dich am 14. Juni für Körper-Respekt und gegen Gewichtsdiskriminierung stark machst.
Das ganze Podium Karl*a der*die Grosse Marah Rikli macht Unsichtbares sichtbar mit Melanie Dellenbach kannst du auf Spotify nachhören: https://open.spotify.com/episode/5HTwqI53xGf0IBLK2x2CLW?si=xlqGXJYtR3m7NME0txzvmQ