CW: Adele’s Gewicht, Diät-Talk.
Es ist immer das gleiche Muster: Eine erfolgreiche dicke Prominente nimmt ab und die Medien stürzen sich darauf. Aktuellstes Beispiel: Adele.
Seit der Veröffentlichung eines Instagram-Fotos im Sommer 2020 ist Adeles Gewichtsverlust Thema Nr. 1 in den Medien. Ein paar Monate später hostet sie die Show Saturday Night Live. Adele selbst thematisiert ihr neues Aussehen in der Show, woraufhin es erneut ein Thema in diversen Medien ist. Aktuell, im Oktober 2021, erscheint Adeles neues Album, und sie ist auf dem Cover der Vogue abgebildet.
Die letzten Tage sind wir erneut ständig und überall mit Adeles Gewicht und Aussehen konfrontiert. Watson, 20 Minuten, Vogue, Annabelle, Blick.ch etc. berichten darüber. Die Medien setzen dabei den Gewichtsverlust in den Fokus der Berichterstattung, und schmücken diese mit passenden Überschriften und Fotos.
20 Minuten titelt: „Ich habe es für mich getan, nicht für irgendjemand anderen“ und schreibt dazu: „Zum ersten Mal spricht Adele öffentlich über ihren Gewichtsverlust. Und thematisiert, wie enttäuscht sie von der ‚brutalen‘ Diskussion über ihren Körper ist.“
Der Fokus der Berichterstattung ist klar: Adeles „Transformation“.
Wenn nicht ihr Gewicht im Zentrum steht, dann wird wiederum der Fokus der Fans auf das Gewicht kritisiert. So heisst es auf zeit.de in einer Glosse: „Adele: Wer hat ihr das erlaubt? […] Verrat! So fühlen sich die Fans von Adele, denn die hat abgenommen, ohne Bescheid zu sagen.“ Bild setzt noch einen drauf und fragt: „Hat Adele die Dicken verraten?“
Ich finde diese Verdrehung so daneben, dass es schon fast lustig ist. Ihr (die Medien) reibt uns diese Vorher-Nachher Story aktuell nonstop und seit über einem Jahr immer wieder unter die Nase. Die Fans können nur entweder mit „Wow, sie sieht toll aus“ oder „Oh nein, ich fand sie vorher viel besser“ reagieren. Neutralität lassen die Medien nicht zu, denn Adeles Aussehen ist Thema Nummer 1.
Für mich ist / war Adele kein Idol, ihr Gewicht und Aussehen ist für mich keine Diskussion wert und ich habe mich nie mit ihr identifiziert. Ich bin nicht enttäuscht über ihr „neues Aussehen“ – es ist mir egal. Ich mag ihre Lieder natürlich – Hello.
Dadurch dass ihr, die Medien, Adeles Gewicht in den Vordergrund stellt, bekommt ihre Musik für mich einen sehr bitteren Beigeschmack. Muss ich in Zukunft bei jedem neuen Video, jedem Konzert und jeder Gewichtsschwankung die gleiche Story hören? Darauf habe ich keine Lust! Aus diesem Grund kaufe ich schon lange keine „Frauenzeitschriften“ mehr. Denn diese Vorher-Nachher Celebrity-Diätinhalte sind toxisches und sexistisches Body Shaming, bringen mir keinen Mehrwert und tun mir nicht gut.
Ich finde es enorm traurig, dass Adeles Musik in den Hintergrund gerät und ich aufgrund der medialen Berichterstattung die Nase voll habe. Nicht von Adele, sondern von dem, was ihr aus ihr macht: Eine „Vorher-Nacher-Geschichte“, eine „Transformation“. Die Geschichte der „eifersüchtigen dicken Fans“, welche ein Idol verlieren, finde ich am schlimmsten. Wenn ich in Zukunft von Adele höre und wegzappe, dann liegt es nicht an ihr, sondern an der schönheitsfokussierten, sexistischen und dickenfeindlichen Medienberichterstattung, die mir ihre Musik versaut.
Die Berichterstattung schadet nicht nur Adele als Künstlerin. Diese Berichterstattung schadet allen Menschen, ganz besonders denjenigen, die unter Bodyshaming, Fatshaming, einem gestörten Essverhalten oder unter einer Essstörung leiden. Auch hier sind einmal mehr besonders Frauen betroffen.
Es ist an der Zeit, dass die Medien Verantwortung übernehmen und endlich aufhören, enttäuschten „dicken Fans“ die Schuld zu geben für ein Narrativ, das diese selber mit jedem neuen Artikel verursachen.
Autorin: Melanie Dellenbach